Donnerstag, 20. April 2017

Goethes Ballade „Der Erlkönig“ aus der Sicht einer Kinderärztin


Der Erlkönig“ ist ein sehr bekanntes klassisches Lied. Es schildert den Tod eines Kindes, das von einer übernatürlichen Gestalt, dem „Erlkönig“, bestürmt wird. Goethe schrieb diese Ballade im Jahre 1782 und Franz Schubert vertonte sie 1815. Goethe war vermutlich zum Schreiben dieses Werkes inspiriert worden durch die Nachricht über einen Bauer aus einem nahen Dorf, der verzweifelt mit seinem kranken Kind auf der Suche nach einem Arzt durch die Nacht ritt.

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?


Es ist der Vater mit seinem Kind;


Er hat den Knaben wohl in dem Arm,

 
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

........ 


Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?  
 

Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?

 
Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,


Was Erlkönig mir leise verspricht? 

 


Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!


Erlkönig hat mir ein Leids getan!


........
 

Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,

 
Er hält in den Armen das ächzende Kind,


Erreicht den Hof mit Mühe und Not;


In seinen Armen das Kind war tot.


 
Ich habe dieses Lied nie gemocht, weil ich es bedrückend finde, voller Angst und Traurigkeit trotz der wunderschönen Musik. Es gibt viele unbeantwortete Fragen zu diesem Gedicht und unterschiedliche Interpretationen in der Literatur. Ich habe mir meine eigenen Gedanken aus der Sicht einer Kinderärztin gemacht, als ich im letzten November das Lied in Schuberts Geburtshaus in Wien hörte und zuvor seine Biographie gelesen hatte. Schuberts Mutter brachte 14 (!) Kinder auf die Welt. Er war einer der vier, die im Kindesalter überlebt hatten. Was für eine enorm hohe Kindersterblichkeit zu dieser Zeit! (Schubert selbst starb in seinem 31. Lebensjahr). In diesem Haus, wo Schuberts Familie wohnte und arbeitete (sein Vater leitete eine Schule im gleichen Gebäude) kam mir beim Hören dieser Ballade über die Ängste eines sterbenden Kindes ganz nahe, wie unsicher das Kindesleben vor 200 Jahren war.

Kurz danach hatte ich eine Familie von drei Generationen in meinem Sprechzimmer. Der Großvater begleitete seine Tochter, die ihr krankes Kind zu meiner Praxis brachte. Bevor sie gingen hatten wir eine lebhafte Diskussion über die Impfungen. Der Großvater war noch voller Ängste aus seinen Tagen, als schwere Krankheiten oft lebensbedrohend für Kinder waren. Impfungen sind für ihn zweifellos eine große Errungenschaft der modernen Medizin. Für seine Tochter ist die Notwendigkeit der Impfungen fragwürdig geworden. Für sie ist heutzutage Kindersterblichkeit zum Glück nahezu undenkbar, abgesehen von schweren Fällen im Krankenhaus, während Nebenwirkungen von chemischen Medikamenten eine wirkliche Sorge darstellen.
Ich versuchte Vater und Tochter zu erklären, dass sie beide unterschiedliche Standpunkte haben, weil die Probleme und Sorgen zum Thema „Gesundheit und Krankheit der Kinder“ in ihren Lebensepochen so stark verschieden seien.

Beim nächsten Mal werden wir dieses heiße Diskussionsthema „die Impfungen“ besprechen.

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